Lyrik: Gedichte der Autorin Katrin Marie Merten

Wie die kleinen Katzen, schau
uns an: Ein Streifen, Zärteln, Streichen,
dieses Schmiegen, Weichen, wieder Zerren,
schau, wie wir auf leichten Ballen schleichen,
gleich ins Flitzen fallen, wild geworden
nach der Wolle rennen, rollen, fetzen,
schau, wie aus den weichen Tatzen
Krallen wachsen, schau die Kratzer an
und wie das Wollknäuel wirrer Fäden
festgezurrt im Spiel, verknotet ganz.

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Nicht Glattem, zur glänzenden Fläche Gefügtem,
ich glaube verblichenen Stoffen die Jahre,
an Rändern sich lösenden Fäden die Enden
und schärferen Kanten den Abbruch:
Schnitten und Scherben. Ich glaube dem Festen,
dass etwas sich eindrückt, in Kerben Gekrümmtem,
dass etwas sich fügt und sich festsetzt,
wie unter den Nägeln die Reste vom Tag.

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Hier ist, was gesagt wird, Gesetz und immer gewesen:
eingeübt das Gebet, das Gespräch, das Geräusch
des Bestecks auf den Tellern leise zu halten,
die Füße still unterm Tisch, die Stöcke im Rücken,
hier ist aufrecht zu sitzen, es geht schon, es geht
bis: Etwas fällt, etwas bricht, einer schreit,
einer spricht, einer geht, einer bleibt.

Wie die kleinen Katzen, schau
die Reste vom Tag
Hier ist, was gesagt wird, Gesetz

(Gedichte aus: Salinenland. Lyrikedition 2000)

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REZENSIONEN des Gedichtbandes „Salinenland“, Auszüge:

„Mertens „Salinenland“ erzählt wie nebenbei geflüstert von Gängen durch die Salinen unserer Innenwelt in den Passagen der Außenwelt. Dabei gewinnt sie dem Beiläufigen hintergründige Reize ab: Es sind Gedichte, die an den Rändern von Wahrnehmung und Gefühl oszillieren […] Trotz einiger Redundanzen und ungewollter Brüche darf man „Salinenland“ zu den verheißungsvollen Lyrikdebüts der Saison zählen.“ Jan Volker Röhnert, Der Tagesspiegel, Berlin (15. 11.2009).

Auch im Feuilleton des ND wurde Salinenland gelesen. Von „schwebend-schönen Gedichten“ ist die Rede dort (Wochenendbeilage vom 28./29. 11.2009).

„Überhaupt geht es in »Salinenland« um verschwimmende Grenzen, sich verflüchtigende Horizonte und ausgefranste Ränder der vermeintlichen Realität. Wirklich gut wird der Band in den feinen Beobachtungen von alltäglich geläufigen Wahrnehmungen, dann wenn zum Beispiel das rissige Holz eines alten Tisches zur Landkarte gerät oder Räume ihre »Muster im Mauerwerk«, verborgen in Raufasertapete und hineintapezierte Lebensgeschichten, nur zögerlich preisgeben.“ (Katrin Greiner, Neues Deutschland, 07.01.2010).

„Mertens Texte haben etwas Klassisches in ihrer Zurückhaltung, ihrer reinen Verdichtung und dem Verzicht auf jene alten Spielereien, mit der die Vertreter der »Lyrik von jetzt« sich voneinander abzuheben versuchen. Schön daran ist, dass das Ergebnis nicht konservativ sein muss – sondern einfach gekonnt. Merten verzichtet auf jeglichen revolutionären Gestus, eben, weil sie es sich leisten kann. Ihre taktvollen Marginalien sind ein überaus gelungenes Debüt.“ Hannes Bajohr, goldmag.de, (23.01.2010).

„Salinenland ist von der ersten bis zur letzten Silbe ein durchkomponierter Strom, der seine ureigenste Melodie summt, seinem Rhythmus folgt, sich nie ablenken lässt, nie zu weite Wege macht.“ (Alma, lovelybooks, 25.01.2010).

„Es ist eine Art inneres, um Unaus­gesprochenes kreisendes Beben und Zittern, um das diese Gedichte kreisen.“ Stephan Turowski, im Poetenladen am 22.02.2010)

„Hier aber war ein Gedicht besser als das andere, ergänzten sie einander zu einer großen Komposition, die sich unaufdringlich, leise, ohne Pathos, doch umso intensiver einprägt.“ (Jens-F. Dwars, in: Palmbaum 1-2010, März 2010).

„… Zeilen, die sich lesen, wie die Verdichtung von Hanekes „weißem Band“.“  (Wilhelm Pauli, in: Forum Kommune 3-10, Juni 2010).

„… Ganz kalkuliert und kunstvoll wird hier ein Klang- und Bewegungsraum aufgebaut, in dem der Leser sich am Ende wie ein schwingendes Pendel fühlt, das hier und da und dort anstößt und einen weichen Hall erzeugt. […] Ein alltägliches, tausendmal erlebtes, monotones Hin und Her, was das Gedicht nicht beschönigt und doch mit genau kalkulierter Grazie transzendiert.“ (Gisela Trahms, in: Neuer Wort Schatz [14] im titel.magazin, Dezember 2008).

Ein Metrum findet seine Wörter: Der Walzerschritt treibt das Gedicht voran in unterschwelliger, durchgehender Bewegung, so dass es nur natürlich scheint, von Füßen und Schritten und ihren Geräuschen auf Dielen zu hören.“  Gisela Thrams über das Gedicht „auf taghellen fluren“, in der Reihe: Neuer Wortschatz

„Salinenland“ wurde veröffentlicht in der Lyrikedition 2000 im Allitera Verlag (978-3-86906-079-8).